Ein Dank nach Italien

Ich bin, weiß Gott, nicht der erste Deutsche, dem bei einem Italienbesuch das Herz übergelaufen ist. Außerdem neige ich beim Reisen zu unkritischer Wahrnehmung. Das vorweg.

Letzte Woche war ich in Rom, und es hat mir gefallen. Ich kann mich nicht erinnern, wann es mir zuletzt in einer Großstadt so gut gegangen ist. Vielleicht in meiner Jugend in Budapest? Ich bin nicht mehr so oft in Großstädten, sie strengen mich eigentlich an. Aber dieses Mal war ich nie müde, nur ein bisschen fußlahm. Ich habe alle Eindrücke gern in mich aufgenommen.

Wenn man weiß, dass man etwas nicht haben kann, dann sollte man es auch neidlos anerkennen. Das milde Klima etwa, so einen warmen Herbst können wir uns hier lange wünschen, hilft alles nichts. Oder das schöne Alter der Bauten – unsere Städte waren nunmal nach dem zweiten Weltkrieg kaputt. Man kann nicht alles haben.

Doch wie ist es mit Verhaltensweisen, mit dem sozialen Umgang, mit der Lebensart? Könnten wir nicht? Nehmen wir das Essen; ich weiß, Traditionen kann man nicht erfinden. Trotzdem: So einfach, gut und preiswert, ich verstehe das nicht. Warum ist das bei uns so schwer?

Ich habe auch gestaunt, wie gut sich die meisten Leute Menschen dort anziehen, Frauen und Männer. Dass sie so schön auf sich achten, auch die Alten, adrett und fein. Selbst die Toilettenfrau am Flughafen trat mir als eine würdevolle Person entgegen, und nicht einmal die migrantischen Straßenhändler wirkten so deklassiert wie bei uns.

Rom ist keine so genannte „Transition Town“, an einer autofreien Innenstand scheint man hier nicht viel Interesse zu haben. Der Verkehr dröhnt durch die Straßen, es ist laut, die Luft ist auch nicht die beste. Aber an jeder Kreuzung sind vier Zebrastreifen, und alle halten bereitwillig an, wenn man über die Straße will. Ich habe in den sechs Tagen keinerlei Aggressivität erlebt. Und übrigens, sieht man von der urbanen Werbung ab, auch keine Indoktrination. Man kann aus dem öffentlichen Raum hier nicht ableiten, wie die Leute politisch denken oder denken sollen. Das habe ich sehr genossen.

Rom ist eine Großstadt, da ist nicht alles immer sauber, und es gibt auch mal ein Loch im Pflaster. Aber gemessen am verwahrlosenden Berlin war es aufgeräumt und intakt, und gemessen am postmodernen Oslo war es lebendig und großzügig.

Es sind viele tausend Touristen im Rom unterwegs. Sie werden, alles in allem, von gelassenen und fleißigen Menschen geführt, bedient und versorgt. Wo immer ich sonst hinkomme, führt der Tourismus zu einer Verflachung der Lebenskultur. Das mag auch hier der Fall sein, aber warum wird dann noch eine richtige Coratella angeboten, ein Lammeintopf aus Innereien? Warum kann man einen halben Liter Hauswein für sechs Euro bestellen, einen Espresso für einsfünfzig? Warum stehen in der Cafeteria der Vatikanischen Museen, die jeden Tag von einer kaum fassbaren Anzahl an Menschen heimgesucht werden, vier gut gelaunte Frauen hinter dem Tresen und verhandeln mit einem die eigene Verköstigung, als wäre man als einziger irgendwo in einem Geschäft in den Bergen gelandet?

Ich kann mir schwer einen Reim auf das alles machen, aber vielleicht liegt es daran, dass die ganzen Museen, Geschäfte und Restaurants, ja die ganze Stadt, trotz allem und vor allem für sich selbst da ist. Das scheint mir das Wichtigste. Ich meine, davon kann man lernen. Wo Menschen leben, seien es viele oder wenige, sollen sie vor allem daran denken, dass es um sie selbst geht, dort, wo sie sind und trotz aller ihrer Unterschiede.

Wie dem auch sei, ich möchte mich in aller Form bedanken, dass ich eine Woche zu Gast sein durfte. Es war wunderbar, und ich wünsche euch alles Gute, dort, in Rom.

20. November 2024