Früher habe ich manchmal einen Plastiksack genommen und den ganzen Mist weggeräumt, die Pizzapappen und die verdammten Kaffeebecher. Über den Verfall der Kultur des öffentlichen Essens in Berlin
➔ Weiter lesenDa draußen, in der Provinz
— von Kenneth Anders
Sascha ruft an: Wir haben eine Absage bekommen. Es ist seit Jahren das Gleiche. Ich ärgere mich, aber von vorn. Wir veranstalten in Eberswalde ein kleines internationales Filmfest. Es trägt den Namen „Provinziale“, weil es aus der Provinz heraus gedacht ist: Der Mensch lebt nicht im luftleeren Raum, er lebt unter konkreten landschaftlichen Bedingungen, die […]
➔ Weiter lesenFolkmusik
Was ist das eigentlich: eine Kultur der Vielfalt?
— von Kenneth Anders
Am letzten Abend gab es nach dem letzten Konzert einen gemeinsamen Auszug vom Platz vor der Bühne hin zum großen Tanzboden. Die Spieler gingen voraus, die anderen folgten, dann wurde im Kreis getanzt und gesungen, mit Klein und Groß, Jung und Alt. Ich stand am Rand, staunend und bewegt.
➔ Weiter lesenMobilmachung
— von Kenneth Anders
Ich hatte so etwas befürchtet. Wir hatten da ein kleines Chorprojekt, ein Doppelquartett. Ein paar Vorab-Termine, dann einen ganzen Tag Intensivprobe und schließlich drei Konzerte. Wir sangen Schütz und Bach, Mendelssohn und Brahms, Volkslieder und moderne Chorwerke. Wir machen das im zweiten Jahr – mit Freude und Liebe, nicht perfekt, aber mit Zuversicht, dass es […]
➔ Weiter lesenDie Seele und die Sesshaftigkeit
Friedhofe als menschliche Orte
— von Kenneth Anders
Wenn der Mensch eine biologische Maschine ist, dann spricht in der Tat nichts dagegen, ihn am Ende seines Lebens geräuschlos und schnell zu entsorgen. Ich fürchte, dass der ganze transhumanistische Irrsinn, in den wir gegenwärtig getrieben werden, aus diesem Denken kommt: Dass da nichts ist, dass wir keine Seele haben.
➔ Weiter lesenZeitenwende der Landschaft
Eine kleine Dystopie am Ende der Ungleichzeitigkeit
— von Kenneth Anders
In meiner Jugendzeit traf ich einmal eine alte Frau im Wald. Sie trug ein Kopftuch und eine derbe Schürze, auf dem Rücken buckelte sie einen großen viereckigen Korb zum Sammeln von Brennholz. Sie wirkte wie aus einer anderen Zeit, wie eine Kräuterhexe. Mit ihren knorrigen Händen klaubte sie auf dem Waldboden Zweige und Ästchen zusammen. […]
➔ Weiter lesenEs regnet schon wieder
Der Weg aufs Land ist gepflastert mit guten Vorsätzen
— von Hans-Christian Bresgott
Da wir im dritten Stock wohnen, nehme ich mein Fernglas (so ein altes aus Zeisser Produktion, habe ich mir zur Konfirmation gewünscht, robustes Stück) und werfe morgendlich nach dem Aufstehen einen gärtnerschweren Blick drei Stockwerke nordwärts hinunter, auf unser kleines organisches Feld hinterm Haus.
➔ Weiter lesenMorgenstunde
— von Kenneth Anders
Es war einer jener Sonntage, die noch im Winter liegen, aber schon zum Frühling hin ihre Arme ausstrecken. Ich wachte früh auf und ging hinaus in den Garten. Es war sonnig, die Luft hatte einen flüssigen Charakter, weich und freundlich. Sie trug alle Geräusche aus dem Umkreis zu mir, glockenklar und doch eingehüllt in ein […]
➔ Weiter lesenKleine Rückenschule
— von Steffen Schuhmann
Die Freiwilligen der Holzaktion mögen nicht mehr jung sein. Aber sie haben einen Händedruck wie ein Schraubstock. An langen Abenden haben sie sich aus alten Maschinenteilen Holzspalter zusammengeschweißt – eine wilde Kreuzung aus Russenpanzer und Belarus-Traktor, die eigentlich unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen müsste. Nun packen sie ihre Kettensägen auf den Anhänger und fahren mit dem Traktor in den Wald. Ich klappe den Rechner zu und trabe hinterher.
➔ Weiter lesenSprachverwirrung
Der Diskurs über die moderne Landwirtschaft fördert das Missverstehen
— von Kenneth Anders
Dass sich so viele Menschen in den letzten Wochen mit den Bauern solidarisierten, zeugt von einem guten Gespür.
➔ Weiter lesenWer den Traktor nicht mag
Warum Städter von der Landwirtschaft oft zu einfache Wahrheiten erwarten
— von Tina Veihelmann
Die EU-Direktsubventionen mag niemand. Aber wer sie abschaffen will, muss eine Lösung liefern, aus dem Schlamassel zu kommen. Statt die zu verurteilen, die darin stecken. […]
➔ Weiter lesenAbschied nehmen
— von Kenneth Anders
Mein jüngster Sohn ist jetzt 15 Jahre alt. In den letzten Monaten hat sich bei ihm viel verändert. Er braucht weniger Schlaf, er hat neue Interessen. Entwickelt man neue Interessen, verlieren sich meist die alten. So erging es auch meinem Sohn. Er hatte zum Beispiel in seinem Zimmer ein Aquarium, das er mit zehn Jahren […]
➔ Weiter lesenLob des Grashalms
— von Iris Berndt
Türkis schimmern die Kuppeln in der flirrenden Hitze. Es locken die Zauberworte Samarkand, Buchara, Chiwa – Seidenstraße und Tausendundeine Nacht. Bilder steigen auf von monumentalen Mauern der Moscheen und Medressen, die gepriesenen Reiseziele Usbekistans. Aber wer schleppte den Lehm für den Registan heran und knetete ihn sorgfältig? Womit sind diese vielen Ziegel gebrannt? Acht Stunden […]
➔ Weiter lesenVorzeitiges Altern
Selbsterhalt und Fremdbestimmung im Arbeitsleben
— von Kenneth Anders
Einige Jahre ist es her, dass ich auf verstärkte Bemühungen meiner Mitmenschen stieß, vorauseilend zu altern. Alle reden von Jugendwahn, aber es gibt auch eine große Alterssehnsucht. Sicher gab es das Phänomen schon vorher, längst gab es Indizien: Die Schrankwände jung verheirateter Paare oder vorgekaute Formen zu reisen, die an Butterfahrten erinnerten. Und natürlich die […]
➔ Weiter lesenHerr Paul und das Jahr 1989
Die größte Falle des Lebens ist der Dünkel
— von Kenneth Anders
1989 begann ich mein Studium in Leipzig. Ich war 20 Jahre alt und frisch aus der Armee entlassen, hinter mir lagen anderthalb Jahre Wehrdienst. Ich hatte gelitten, die Zeit war ein einziger innerer Alarm gewesen. Aber nun war ich entlassen, und ich fühlte mich vollkommen frei. Es war Spätsommer, die Luft roch nach Großstadt, sie […]
➔ Weiter lesenOpfer, über die niemand spricht
Was arabische Großkatzen und die Schönheit unserer Städte und Landschaften gemeinsam haben
— von Tina Veihelmann
Eines der Opfer, über die niemand spricht, ist die Schönheit. Schon das Wort steht, sobald man es ausspricht, wie ein ungebetener Gast im Raum. …
➔ Weiter lesenÜber das Schlachten und das Leben lassen
— von Peter Fibich
Ob er die Schafe ebenfalls selber schlachte, fragte sie in einer Art, die ein Nein erhoffte. Er erfüllte ihr den Wunsch. Für die Schafe holten sie sich professionelle Hilfe.
➔ Weiter lesenMein Moped
— von Peter Fibich
Es gehört zum sommerlichen Landleben wie Grillfeuer und Dorffest. In der Stadt sieht man es seltener, oder es fällt im Verkehrsgetümmel kaum auf. Auf dem Land ist das anders. Unverkennbar der Geruch des Zweitakters, noch nach Minuten hängt die Fahne blau in der Straße. Singend das Fahrgeräusch: Die drei oder vier Gänge lösen mit jeweils höheren Tonfolgen einander ab, unverkennbare Gesänge, ich höre sie im Schlaf.
➔ Weiter lesenEin Dorf hat keine Wahl
Über die Demokratie im ländlichen Raum anhand von Beobachtungen im östlichen Brandenburg
— von Steffen Schuhmann
Über Demokratie im ländlichen Raum zu sprechen, ist nicht mein Fach. Aber als ich mich das Kulturamt des Landkreises darum bat, habe ein paar Dinge zusammengetragen, die ich in den letzten Jahren beobachtet habe.
➔ Weiter lesenDas Leben nach dem Stubenarrest
Erfahrungen im Freien
— von Kenneth Anders
Das freie und anspruchslose Biwakieren ist jetzt im Schwange, und es ist folgerichtig. Wenn das Leben nur noch aus Digitalem besteht, aus kaltem Licht und aus ständigem Sitzen, aus Streaming und Daten, und wenn man außerdem zwei Jahre lang mehr oder weniger in Boxen gehalten wurde, dann muss einfach irgendwann ein Durst nach frischer Luft entstehen.
➔ Weiter lesenRasen oder Wiese
— von Peter Fibich
Sie erzählte mir von ihrer Wiese bei einem Dorffest, zu dem die Leute aus allen Himmelsrichtungen kamen, um historische Landmaschinen zu sehen und zu zeigen. Alte Traktoren: Bulldog und Lanz, Lamborghini und andere klangvolle Namen, bei denen Kennern das Herz aufgeht. Ich erfreute mich vor allem an den herrlichen Geräuschen, die diese starken alten Maschinen machen.
➔ Weiter lesenWir und „die Russen“
Ein paar Erfahrungen aus einer Garnisonsstadt der DDR
— von Kenneth Anders
Die Ostdeutschen haben ein Misstrauen gegen die Feindseligkeit, die derzeit geschürt wird. Sie wissen noch, welcher Preis dafür zu zahlen ist.
➔ Weiter lesenKaufen Sie sich eine Axt
Das Heizen mit Holz ist schön, hält jung und kann sogar nachhaltig sein. Der Green Deal im Kapitalismus 2.0 dagegen ist so grün wie ein Kamel, das durch ein Nadelöhr kriecht.
— von Tina Veihelmann
Das Heizen mit Holz ist schön, hält jung und kann sogar nachhaltig sein. Der Green Deal im Kapitalismus 2.0 dagegen ist so grün wie ein Kamel, das durch ein Nadelöhr muss.
➔ Weiter lesenHarte Arbeit – und was man dafür bekommt
Der fehlende Nachwuchs im Handwerk ist Ausdruck einer gesellschaftlichen Desorientierung
— von Kenneth Anders
Oh Mann eh, ick schaff dit allet ni. Uwe klingt am Telefon wie ein einziger Stoßseufzer. Uwe ist Maurer. Ich hatte ihn angerufen, um ihn zu bitten, an meiner Scheune zu arbeiten. Die Fundamente mussten erneuert werden, keine schöne Arbeit, man kraucht die ganze Zeit auf dem Boden herum und frickelt halbe Steine unter die […]
➔ Weiter lesenÜber die Kälte
Von Katzen, die knapp dem Tod entgehen, um der Kälte zu entkommen. Und von Menschen, die es mit Schwitzhütten versuchen.
— von Kenneth Anders
Meine Nachbarn hatten sich eine Katze angeschafft, ein schwarzweiß geflecktes kleines Tierchen. Sie nannten sie Minou. Die Nachbarn lebten in Berlin und konnten sich nur am Wochenende um ihr Tier kümmern. Für Minou war das nicht schön. Je älter Minou wurde, umso mehr setzten ihr die Winter zu. Einmal fuhr ich nach Berlin, parkte das Auto in Mitte, stieg aus, und …
➔ Weiter lesenSind wir zu blöd? Sind wir Staatsfeinde?
Ein Drittel der Brandenburger Grundstücksbesitzer hat ihre Grundsteuererklärung immer noch nicht abgegeben. Weshalb? Ein Selbstversuch.
— von Tina Veihelmann
Die Grundsteuererklärung spaltet die Menschheit mit Grundbesitz in zwei Hälften. Es gibt die, die dauernd allen erzählen, alles sei kein Problem. Und es gibt die Abweichler. Die ewigen Nörgler. Eine Weile lang überlegte ich, auf welche Seite ich mich schlage. Denn eigentlich finde ich Steuern zahlen ja gut …
➔ Weiter lesenVom Hof ins Dorf und in die Landschaft
Über die Rolle der Landwirte in der ländlichen Gesellschaft der DDR und der Nachwendezeit
— von Kenneth Anders
Wer in den neunziger Jahren in brandenburgische Dörfer kam, stieß allenthalben auf verlassene Stallanlagen. Die langen, barackenartigen Gebäude waren mit Wellasbest gedeckt, die Wände roh gemauert und meist unverputzt, die Flächen betoniert, hier und da von Silagegruben unterbrochen. Hin und wieder lugten Reste der Vorkriegszeit hervor; alte Ziegelscheunen oder Ställe, meist lieblos umgebaut. Diese Ensembles machten einen verlassenen und unbelebten Eindruck – kaum vorstellbar, dass hier einmal viele Tiere mit ihrem Muhen, Grunzen, Schnattern und Gackern, mit viel Mist und Gülle die Luft gefüllt hatten. Noch unwirklicher war die Vorstellung, dass hier vor gar nicht langer Zeit noch Menschen gearbeitet hatten.
➔ Weiter lesenPappeln werden gemocht
Blick aus unserem Garten auf die merkwürdigen Erregungen der Menschen
— von Tina Veihelmann
Engagement für die Natur und völliges Unwissen über sie kommen heute auf seltsame Art zusammen. Überlegungen zu einer Gesellschaft, die sich in einem Modus des Dauerengagements befindet – und vielleicht gerade deshalb nichts sieht.
➔ Weiter lesenKrieg und Frieden
Wenn kein Schuss mehr fällt, keine Granate mehr krepiert – wie lang dauert es dann noch, bis Frieden ist?
— von Steffen Schuhmann
Wir sollten froh sein, dass wir im Frieden aufwachsen, sagten meine Großeltern. Auch wenn nachts Panzerkolonnen durch die Wälder krochen, Atomsprengköpfe auf unseren Sandkasten zielten, Kampfjets über den Kartoffelacker donnerten – den Großeltern konnte man in dieser Sache nicht widersprechen. Mit Krieg kannten sie sich aus.
Wie lang wird diesmal der Krieg dauern? Und wann ist er vorbei?
Wenn kein Schuss mehr fällt, keine Granate mehr krepiert – wie lang dauert es dann noch bis Frieden ist?
Vor der eigenen Tür muss man aber auch was finden können
Über Familiengeschichten und warum sie ein Kapital sind
— von Kenneth Anders
In meiner Familiengeschichte taucht im frühen 19. Jahrhundert ein Adam Würth auf, er ist ein direkter Vorfahre in fünfter Generation. Würth war Schauspieler, Regisseur, Theaterdirektor und Schriftsteller, er arbeitete am Theater an der Wien und an erstaunlich vielen deutschen Häusern, gab das „Magazin für Lachlustige“ heraus und war mit einer fahrenden Truppe unterwegs. Es gibt […]
➔ Weiter lesenVor der eigenen Tür
Beeskow und Umgebung – postkolonial studiert
— von Steffen Schuhmann
Als wir den Marktplatz von Beeskow erreichen, lacht B. und meint, hier sehe es aus wie in Kolumbien. Dieser rechteckige Marktplatz, die farbigen, zweitstöckigen Häuser. B. ist in Korea aufgewachsen und hat in Bogota gelebt. Sie muss es wissen. Und sie hat recht. In Zeitungen, in denen es statt des Kulturteils ein Feuilleton gibt, lässt […]
➔ Weiter lesenDie Konsequenzen des Lebens
Was mir durch den Kopf geht, wenn ich an die Flut denke
— von Kenneth Anders
Dieser Wohnplatz bei Altmädewitz vergeht. Heute sieht er idyllisch aus, das Leben, das hier gelebt wurde, wird jedenfalls bescheiden gewesen sein. Aber was sagt das aus über den Wert dieses Lebens? Gar nichts.
➔ Weiter lesenEine scholastische Gesellschaft
Das Erfahrungswissen und seine Diskriminierung
— von Kenneth Anders
Unsere Gemeinde besteht aus sieben Dörfern und einigen weiteren Siedlungsflecken. Um über die Neuigkeiten und kommunalpolitische Fragen in diesen Orten zu informieren, Informationen auszutauschen und dörfliche Probleme zu diskutieren, gebe ich mit einigen Mitstreitern eine kleine Zeitung heraus. Sie erscheint dreimal im Jahr und es gibt dabei einen einfachen Grundsatz: Je mehr Leute in der […]
➔ Weiter lesenZäune
Über kulturelle Scharniere zwischen öffentlichem und privatem Raum
— von Udo Muszynski
Ein Sinnbild der letzten ein, zwei Jahrzehnte sind für mich hierzulande die Zäune. Neue Zäune überall. In der Regel sind sie heute doppelt so hoch wie in den Zeiten meiner Kindheit, sie sind häufig von zweifelhafter Schönheit und zudem immer öfter ganz und gar undurchsichtig. Diese Entwicklung scheint mir längst nicht mehr nur auf Eigenheimquartiere […]
➔ Weiter lesenVielleicht mochte ich das alte Bunt lieber
Ein Aktionstag und ein Grillabend
— von Kenneth Anders
In vielen Städten gibt es derzeit Initiativen, die auf das Bunte zielen. Sie heißen „Sowiesostadt ist bunt“ oder „Soundsoberg ist bunt.“ Das „bunt“ hat nichts mit der „Bunten“ zu tun, dieser Zeitschrift mit Promi-Fotos. Die stammt aus einer ganz anderen Zeit, als „bunt“ noch Assoziationen wie abwechslungsreich, unterhaltsam und unzusammenhängend weckte, wahrscheinlich auch oberflächlich. Damals […]
➔ Weiter lesenSeen entdecken
Warum es nötig sein kann, etwas für Brandenburgs schlechten Ruf zu tun
— von Steffen Schuhmann
Es gibt diese Sonntage, von denen man meint, sie könnten die letzten sein. Der Sommer strahlt schon etwas matter und zwei Tage Regen würden ihm das Genick brechen. Aber heute wird die Morgenkühle noch einmal weichen und das erste Licht scheint durch die Kiefern und auf die Firste der Dörfer, die noch still sind, als […]
➔ Weiter lesenMist für Leipzig
— von Tina Veihelmann
Manchmal machen Menschen seltsame Anschaffungen. Manche Leute bauen Swimmingpools in ihre Gärten, die aus der Luft betrachtet wie seltsame knallblaue Punkte aussehen. Andere kaufen neue Aufsitzrasenmäher, mit denen sie ganze Maisfelder flach mähen könnten. Wieder andere schaffen ein Wohnmobil an.
➔ Weiter lesenVerhüllt im Saal
Warum die Maskenpflicht für die Kultur ein Problem ist
— von Kenneth Anders
Seit mehr als einem Jahr erledigen wir viele unserer täglichen Verrichtungen mit einer als „Mund-Nasen-Schutz“ bezeichneten Gesichtsmaske. Erst waren es so genannte Alltagsmasken, meine Mutter nähte sie für die ganze Verwandtschaft aus Stoffresten. Gerade als sich die Modeindustrie der neuen Textilen annahm, wurde das Tragen der FFP-2-Masken obligatorisch. Diese Vorschrift wurde unterschiedlich streng gehandhabt, der […]
➔ Weiter lesenDie Linie übertreten
— von Tina Veihelmann
An Corona im Dorf hat man sich gewöhnt. Ich meine nicht an die Krankheit, sondern an das Dauerausfallen aller öffentlichen Veranstaltungen, an die dunklen Fenster des Dorfclubs und daran, dass es kein Osterfeuer gibt. Man ist privater geworden, trifft nur die, die man gut kennt und von denen man weiß, wie sie über alles denken und wie sie es halten. Vorige Woche riss mich eines Morgens etwas aus diesem Wattegefühl.
➔ Weiter lesenHeizen und beheizt werden
Geistige Regsamkeit in Versorgungsgesellschaften
— von Kenneth Anders
Nach zwanzig Jahren sind die alten Eichenpfähle dann doch mal durchgefault. Sie legen sich in den Wind, der Zaun hängt schief. Ich repariere sie nicht alle auf einmal, sondern ersetze sie Stück für Stück durch Robinienpfosten, die halten nochmal so lange. Das alte Eichenholz säge ich für den Ofen auf, es hat nach all der Zeit, verwittert und vergraut wie es ist, immer noch einen enormen Brennwert. Auch altes Obstgehölz ist zum Heizen sehr gut geeignet.
➔ Weiter lesenZeit schinden im Verfall
Die Scheune III
— von Kenneth Anders
Die Scheune war also schief, außerordentlich sogar und übrigens windschief, also von West nach Ost geneigt, wie ringsum die Bäume auch. Man musste nun wirklich fürchten, sie könnte umfallen. Aber vor allem staunte man, wie es der Wind geschafft hatte, das Gebäude so zu beugen? Das ist eine lange Geschichte, 130 Jahre alt. Es gab […]
➔ Weiter lesenBeerdigungen
Mit 68 kann man schon mal an den Tod denken
— von Wolf-Peter Huth
Am 3. Januar ist Ruth S. Im biblischen Alter von 93 Jahren gestorben. Ruth war eine der ersten Wolluperinnen, die wir im Sommer 1992 kennenlernten, als wir, eine Gruppe von drei Frauen, drei Männern und zwei Kindern aus Leipzig und Berlin, voller Tatendrang und revolutionärem Elan im Dorf ankamen und zunächst in zwei kleinen Wohnungen im Verwaltungsgebäude des Landwirtschaftsgutes Quartier bezogen.
➔ Weiter lesenKronen-Tinnitus
Über den Mangel an politischer Bildung
— von Kenneth Anders
Mit 44 Jahren wurde ich in unsere Gemeindevertretung gewählt. Ich hatte bis dahin nicht viel Ahnung von Kommunalpolitik, weder überblickte ich die Strukturen, noch hatte ich Klarheit über die Aufgaben einer Gemeindevertretung. Dass ich überhaupt kandidierte, lag an der Aufbruchstimmung, die damals in unseren Dörfern herrschte. Es gab einige neue Leute, die sich einbringen wollten, […]
➔ Weiter lesenOrtsbildstörend
Wenn Urteile töten könnten, wäre unser Dorf jetzt tot
— von Tina Veihelmann
An einem Tag im Sommer besuchte uns eine alte Freundin von mir. Sie hatte ihr Auto geparkt, stieg aus, schaute sich um, und bemerkte, das sei ja hier fast ein schönes Dorf. Gemessen an dem, was man in dieser Gegend erwarten kann. Mir kippte fast die Kinnlade runter. Wir standen auf dem Gehweg aus schief getretenen Platten aus den 1980er Jahren vor unserem schmiedeeisernen Gartenzaun, den jemand lange vor uns orange angestrichen hat.
➔ Weiter lesenArmut und Gesicht
Über das Wunder der kleinen Städte
— von Kenneth Anders
Es ist so eine Sache mit den Kleinstädten. Sie gelten als eng oder irgendwie uncool, mancher schämt sich ihrer. Ein echtes Dorf geht inzwischen schon wieder als exotisch durch. Die Vorstellung des Hausschlachtens nötigt den Großstädtern Respekt ab, da fließt Blut, man weiß nicht, ob man damit zurechtkommen würde. Also hält man etwas Abstand. Aber […]
➔ Weiter lesenZwischen Grunow und Alexanderplatz
Wo der Anschluss an die Welt ein Haltepunkt ist
— von Uwe Rada
Wo ist das eigentlich, das Ankommen? Und wie ist es zu beschreiben? Ist es ein Ort, vom dem man ausschwärmt in die Umgebung, um dann wieder zurückzukehren und am Abend beim Glas Wein im Garten? Wie groß ist der Radius, den man ziehen darf, um das Ankommen nicht zu strapazieren? Und schwebt über allem auch die Drohung des Fortgehens?
➔ Weiter lesenDieseits und Jenseits der Eierschecke
Sprache, Kuchen und Suchmaschinen
— von Steffen Schuhmann
Meine Großmütter waren jederzeit Staatsangehörige des gleichen Landes, freilich eines Landes mit mehrfach wechselndem Namen und Zuschnitt. Aber immer verlief zwischen ihnen eine unüberwindbare Grenze. In meiner Gegenwart jedenfalls haben meine Großmütter nie miteinander gesprochen. Wozu auch. Die eine Großmutter lebte an einer von Robinien gesäumten Straße. Die sandigen Bürgersteige wurden geharkt. Vom Küchenfenster sah […]
➔ Weiter lesenAugen auf im Agrarkonflikt!
Über das persönliche Moment auf dem Acker
— von Kenneth Anders
Als ich auf das Feld trat, standen dort schon Vera und Klaus. Sie waren aschfahl im Gesicht, begrüßten mich ernst und sahen dann unsicher zum Deich hinüber. Ich überlegte kurz, was sie so mitgenommen haben mochte, dann machte Vera eine Andeutung: Sie war verärgert, enttäuscht, verunsichert – von mir. Das war zum Glück ein Missverständnis. […]
➔ Weiter lesenVon Landstreichern und Obdachlosen
Die Scheune II
— von Kenneth Anders
Im Giebel hatte die Scheune ein Fenster, das – obwohl in über zwei Metern Höhe eingesetzt – mit schweren Eisenstangen gesichert war. Man sah dem Gitter die Mühe an, die damals in die Bewehrung dieses Fensters investiert worden war. Offensichtlich hatte man Eindringlinge fernhalten wollen. Eindringlinge, hier? Das kann ich mir kaum vorstellen.
➔ Weiter lesenHolzweg, jetzt auch als Laminat
Woher kommen die Dinge, die uns am nächsten sind?
— von Steffen Schuhmann
Woraus besteht das Hemd, das ich kürzlich in Eile gekauft habe? 65% Baumwolle, 35% Polyester steht auf dem eingenähten Waschzettel. Wer es genäht hat und wo es herstammt, steht dort nicht. Vermutlich kommt es aus Bangladesch, denn es war recht günstig. Woher die Baumwolle und das Polyester kommen, lässt sich nicht sagen. Ganz sicher ist […]
➔ Weiter lesenMauern gegen die Wut
Mein Nachbar versteht meinen Mann besser als ich
— von Tina Veihelmann
Es ist Winter, und alles kommt nicht so recht voran. Vielleicht muss man es anders sagen: Alles Mögliche kommt voran, aber man sieht es nicht. Die Hygienekonzepte zum Beispiel, die mein Mann machte, kamen voran, aber dann musste er sie wieder in die Tonne treten. Er machte neue. Dann waren auch die für die Katz. Wie in der alten K und K Monarchie versickern Kraft und Zeit im Verfassen und Hin-und Herreichen von Papieren, die dann in den Verwaltungen in den Schubladen liegen, oder in Dateiordnern, um irgendwann ohne weiteres Ansehen gelöscht zu werden.
➔ Weiter lesenNicht mehr bummeln, liefern lassen!
Wie kommt es nur, dass der Einzelhandel in Not ist?
— von Kenneth Anders
Dass es auf dem Land weniger Einkaufsmöglichkeiten gibt als in der Stadt, ist allgemein bekannt und mit bloßem Auge leicht erkennbar. Tritt man zum Beispiel aus meinem Haus, kann man sich noch so sehr anstrengen und sogar ein Fernglas zu Hilfe nehmen, man wird keine Geschäfte finden. Versorgen kann man sich dennoch.
➔ Weiter lesenBaustoff, Tier und Freude
Über eine Ähnlichkeit zwischen Handwerk und Landwirtschaft
— von Kenneth Anders
Auf unserem Grundstück lagern in diversen Stapeln Ziegelsteine. Wir haben sie beim Abriss von Schuppen und Wänden geborgen, abgeputzt und aufgestapelt. Andere haben wir aus der Erde geholt, es ist erstaunlich, wie viele intakte Steine man da findet. Immer wieder einmal nutzen wir sie zum Weiterbauen an Haus und Hof, manchmal geben wir auch welche an Nachbarn und Freunde ab.
➔ Weiter lesenGras, Heu und Disteln
Wie eine kleine subsistenzwirtschaftliche Erfahrung einem den Hut vor der Landwirtschaft vom Kopf weht
— von Kenneth Anders
Wir haben eine schöne Wiese, da stehen Schafe drauf. Es sind rauhwollige Pommern, eine anspruchslose Rasse, die weder Kraftfutter noch Rüben benötigt, man braucht nur Gras, um sie satt zu kriegen. Im Winter halten wir drei bis vier Tiere, im Sommer, wenn die Lämmer gekommen sind, können es auch mal neun oder zehn sein. Die Fläche reicht über den längsten Teil des Jahres, sodass ich nur wenig Heu zukaufen muss.
➔ Weiter lesenUrbane Speckwürfel der Hoffnung
Warum ich meine, dass sich das Land aus dem heraus entwickeln muss, was die Leute dort sind und gut können
— von Tina Veihelmann
Die Stadtflucht- und Landlustdebatte begleitet uns schjon seit einigen Jahren. Im Zusammenhang mit ihr ist von neuen Hoffnungen die Rede. Aber wer ist gemeint, wenn Planer von Zukunft sprechen? Wer ist Gestaltender? Und wer nicht? Aus wessen Lebenserfahrung heraus wird Zukunft gedacht?
➔ Weiter lesenBaustoff
Von den Resourcen des ländlichen Bauens
— von Steffen Schuhmann
Im Wald bei Bernau steht ein Stück UNESCO-Weltkulturerbe. An der Autobahn wird es auf einem Schild als »Bauhaus-Denkmal Bernau« angekündigt. »Denkmal« klingt nach Sockel und großer Geste. Tatsächlich staffelt sich das Gebäude in einem leichten Bogen einen Hügel hinab, führt hin zu einer Kombination aus Turnhalle und Seminarhaus, hinter der ein kleiner Badesee liegt. Aus […]
➔ Weiter lesenVon der Freiheit der armen Bauern
Die Scheune I
— von Kenneth Anders
Die Scheune ist gut 130 Jahre alt und sehr schief. Sie steht auf dem freien Feld und misst etwa sieben mal neun Meter. Man hat sie in Fachwerk errichtet und halbwegs parallel zu einem Wohnhaus angeordnet, allerdings nicht viel Mühe auf die Fluchten verwendet. Vielleicht war aber auch der Weg, an dem beide Giebel ausgerichtet […]
➔ Weiter lesenDie Lust am eigenen Brunnen
— von Tina Veihelmann
Immer wieder begegnet uns auf dem Land eine große Freude daran, unabhängig zu sein. Eigene Kartoffeln, eigene Heizsysteme, eigenes Wasser zu haben. Wir fragten uns, warum. Bis wir selbst Teil der Sache wurden.
➔ Weiter lesenDer Deckel auf der Regentonne
Über bescheidene und unbescheidene Beiträge zur Rettung der Welt
— von Kenneth Anders
Vor etwa zehn Jahren hörte ich in Osnabrück den Vortrag eines Mitarbeiters der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), der mich sehr beeindruckte. Die GIZ ist ein Unternehmen, das die Bundesregierung bei Projekten in vielen Teilen der Welt unterstützt. Über diese Arbeit kann ich nichts sagen, hier geht es nur um den Vortrag. Denke ich heute daran, fällt mir auf, wie komisch ich ihn damals fand und wie wenig ich heute noch darüber lachen kann.
➔ Weiter lesenKartoffeln der Weltanschauung
Die moralische Distinktion und ihre Abwehr
— von Kenneth Anders
Während meines Studiums nahm ich an einem soziologischen Projekt mit der Uni Hannover teil. Ich studierte damals in Leipzig. Die Mauer war gerade gefallen und so erlebte ich es als aufregend und verheißungsvoll, „in den Westen“ zu kommen und dort andere junge Menschen kennenzulernen.
➔ Weiter lesenDas Northern Kingdom und ähnliche Gegenden
Pick-Ups, Trump, Game Of Thrones und das universalistische Bildungsideal
— von Kenneth Anders
In den USA fahren ja wirklich viele von diesen großen Pick-Ups herum. Es gibt sie als dunkle, militärisch anmutende Versionen oder eher in Richtung Agrarvehikel. Ich habe sie mir vor zwei Jahren auf den Straßen im Staat New York genau angesehen. Wir fuhren nach Norden und ich war überwältigt von der Schönheit, die sich mir in der Gegend bot.
➔ Weiter lesenMit den Indianern fühlen
Warum die Ostbrandenburger den Indianern ähnlich sind
— von Tina Veihelmann
Ein geheimes Band verbindet die Ostbrandenburger mit den Indianern. Indianersein ist eine Frage der Mentalität.
➔ Weiter lesenAmerika an der Oder entdecken
Was Archäologen in zweitausend Jahren über Ostbrandenburg herausfinden werden
— von Steffen Schuhmann
Vor dem Supermarkt in Beeskow im Landkreis Oder-Spree ist ein großer Parkplatz. Wenn dort am Abend kurz vor Ladenschluss schwere Pickups vorfahren, braucht es nicht viel, um sich vorzustellen, man wäre nicht im Osten Deutschlands, sondern im Mittleren Westen der USA.
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