Was nicht geht: Nur mal kurz gratulieren.
Nu komm rinn.
Stühlerücken und schon sitz ich an der Geburtstagstafel, die quer durch das große Wohnzimmer geht. Die Enkel kugeln über die an den Rand gerückte Couch. Die Töchter sind für einen Tag aus den großen Städten zurück. Im Nebenzimmer ist neben dem Schrank mit den Nippes das Büffet aufgebaut. Der Hausherr, auf dessen Einladung die Gesellschaft sich hier versammelt habt, stand wohl den ganzen Tag in der Küche. Kartoffelsalat, Garnelensalat – selbstgemacht. Schlackwurst – nicht selbst gemacht, aber nur aus Rindfleisch. Aber das Buffet ist noch nicht eröffnet, der große Auftritt steht noch bevor.
Schlackwurst mach ick nur noch vons Schaf, erklärt der Mann, dem gegenüber für mich ein Platz an der Tafel geschaffen wurde. Mir kommt das Gesicht bekannt vor. Wahrscheinlich haben wir von einem Jahr zum gleichen Anlass gesehen. Aber ein Name fällt mir nicht ein. Er ist nicht von »hier«, sondern aus einem der Wasserdörfer an der Spree, Orte die früher über den Fluß mit der Welt verbunden waren, ehe die Welt sie vergessen hat.
Die Wolle will keener. War inne DDR anders, da hamse allet uffjekooft. Konnste was verdienen dran. Heut kannste se nur wegschmeißen. Wolle kannste nich verbrennen, dit glimmt nur und qualmt. Früher hatt‘n wa ooch Schweine. Ham jedes Jahr sechs Stück verkooft. Aber dit lohnt nicht mehr wegen die Schweinepest. Da kommse denn ständig zu Kontrolle un dit musste ooch noch bezahlen.
Er spricht das »Z« eher wie ein scharfes »S«, wie viele von den Älteren hier, die geboren wurden, als nach dem Krieg die Suppe nicht mehr so dünn und die LPG noch freiwillig war. Das ist verloren gegangen. Und während ich noch an das weiche »Z« denke, ist er schon bei Putin, dem er so wenig über den Weg trauen würde, wie dem Selensky. Auch dem Wessi kann man nicht trauen. Der wüsste nicht, wie man einen Dachfirst richtig schließt. Seine Scheune, nachdem sie abgebrannt war, habe er ganz allein wieder aufgebaut. Mit dem Holz aus dem Privatwald.
Schöne Kiefern ham wa da rausgeholt, so lang, dass man drei Balken draus schneiden konnte. Aus dem eigenen Wald kannst ja rausholn was de willst. Nur Kahlschlag darfste nicht machen.
Das Gespräch beschreibt einen weiten Bogen. Es geht um die richtigen Kettensägen, darum, dass man einen Traktor braucht, wie man Holz richtig stapelt – kannste nich den janzen Tach machen, da wirste blöde – und ich kann noch was lernen.
Zwei Hektar Wald ham wa, aber dit sieht übel aus. War zu trocken die letzten Jahre, ooch der Regen jetzt im Sommer, so geregnet hat‘s hier nie, aber dit reicht nicht nach die Dürre. Jetzt jeht der Borkenkäfer sogar inne Kiefer. Und der Boden is trocken, da jehn die Mäuse anne Wurzeln. Dit wird hier nüscht mehr. Rente wird’s auch nich mehr geben. Will ja keener mehr arbeet‘n. Schimpfen tun se imma uff die Ausländer. Aber die gehn wenigstens arbeet‘n. Dit Kellerbier is gut, oder? So ‘n feiner Jeschmack. Dit kommt von die Schwebstoffe, deshalb isses so trübe, is janz was Natürliches. Aber da musste warten könn, bis dit in Angebot is, wenn‘s schon fast abjeloofn is. Ick koof keen Kasten über zehn Euro, die spinn doch, dit kann ick mir nich leisten. Für den Trump un sein Milliardär da, die beeden Flachzangen, für den sin wir doch nur arme Schlucker. ‘n Fußabtreter sinn wa für die. Die scheern sich doch um uns ‘n Dreck, wenn ’se uns hier ‘s Wasser abgraben tun. Un is doch schade, dass dit Weib nich jewonn hat. Die Harris. Die war doch jut.
Der Hausherr ist zurück aus dem alten Backhaus hinterm Hühnerhof, wo den ganzen Tag das Schwein gebacken hat. Es ist sein großer Auftritt. Jetzt schneidet er an, schiebt den Gästen große Stücke auf die Teller. Vom mageren Fleisch für die Städter, vom durchwachsenen für die Dörfler. Deren Magen verträgt das, sagt der Hausherr an seinem Geburtstag.