Abschied nehmen

Mein jüngster Sohn ist jetzt 15 Jahre alt. In den letzten Monaten hat sich bei ihm viel verändert. Er braucht weniger Schlaf, er hat neue Interessen. Entwickelt man neue Interessen, verlieren sich meist die alten. So erging es auch meinem Sohn. Er hatte zum Beispiel in seinem Zimmer ein Aquarium, das er mit zehn Jahren aus seiner Schule mitgebracht hatte, als der Lehrer, der es bis dahin als Projekt in der Klasse betreut hatte, die Schule verließ.

Fortan stand das Aquarium in seinem Zimmer und bot viele Erlebnisse. Einmal verschwand ein Wels und ward nach fünf Wochen mopsfidel in der Pumpe wiedergefunden. Dann hatten die Welse sehr viele Nachkommen in einer kleinen Höhle. Die Guppys haben sich natürlich auch vermehrt. Das Aquarium war zudem immer wieder Gegenstand des Austauschs, mit seinem Opa zum Beispiel, und mit seinem Freund Max. Die beiden trafen sich, machten es zusammen sauber und tauschten Pflanzen, und danach fuhren sie raus an die Alte Oder zum Angeln.

Aber nun war das Aquarium veralgt, und jeder sah, dass mein Sohn zunehmend das Interesse daran verlor. Er bot uns einen Standortwechsel in die Küche an, sodass es als Familienaquarium weiterbetrieben würde. Dazu konnten wir uns aber nicht durchringen. Also entschied mein Sohn, das Aquarium aufzugeben. Und offenbar wusste er genau, was zu tun war.

Er verabredete sich mit Max und brachte ihm die verbliebenen Fische. Max hat drei Aquarien, bei ihm wird die Freude an diesem Hobby wohl nicht so bald versiegen. Danach räumte mein Sohn das Aquarium aus, sortierte Steine, Kies und Hölzer sowie die installierte Technik und packte alles ordentlich zusammen. Anschließend löste er mit Essig den Kalk von den Glasscheiben und brachte alles zusammen in den Scheunenkeller, sodass die komplette Anlage, falls mal jemand wieder Bock auf ein Aquarium haben sollte, tadellos zur Verfügung stehen würde. Dort wurde alles mit einem alten Laken abgedeckt.

Zu guter Letzt setzte sich mein Sohn zu mir auf das Sofa und guckte eine Weile vor sich hin. Und dann sagte er: Jetzt bin ich traurig.

Ich finde, er hat alles richtig gemacht.

26. Januar 2024