Es regnet schon wieder

Es regnet schon wieder, denke ich, um dann festzustellen, nein, ist bloß der ausgeliehene Minihamster, der wie blöd seinen Körper am Tagesende noch mal austarieren muss. Also gut, kein Regen, ist ja aber auch kalt genug, und irgendwie kommts von draußen auch feucht rein.

Das wiederum ist ein gutes Zeichen für unseren kleinen Garten. Oder auch Kleingarten, knappe zweihundert Quadratmeter, darauf ein brüchiges Sommerhäuschen, das wir gerne so nennen, um den unverschämten Abstandspreis, den wir dafür zahlen mussten, zu rechtfertigen. Dazu noch ein noch kleineres Abstellhäuschen, in dem ich mehrfach und am Ende erfolgreich die Ansiedlung einer Wespenkolonie verhindert habe, frag nicht wie.

Also da ist er, unser kleiner Garten (klingt sympathischer als Kleingarten). Nachdem wir aus der nahen Großstadt an deren Rand katapultiert wurden, ohne dass wir das Katapult selbst betätigen durften; also wir wurden rausgeschmissen, naja, wie junge Frauen heutzutage halt so sind, keine unnötige Empathie. Die Dame wusste schönen Wohnraum in betulicher Lage zu schätzen, Geschmack hat sie.

Also, Kleingarten, kleiner Garten. Den haben wir jetzt, direkt hinterm Haus, nur eine Autoabstellfläche liegt dazwischen, die überblicken wir einfach. Außerdem ist es praktisch, wenn die Einkäufe für den Garten direkt abgeliefert werden können.

Da wir im dritten Stock wohnen, nehme ich mein Fernglas (so ein altes aus Zeisser Produktion, habe ich mir zur Konfirmation gewünscht, robustes Stück) und werfe morgendlich nach dem Aufstehen einen gärtnerschweren Blick drei Stockwerke nordwärts hinunter, auf unser kleines organisches Feld hinterm Haus.

Ich bin total dankbar dafür. So ein Garten am Haus, eine eigene Scholle, das habe ich mir immer gewünscht, und auch für die Familie ist es ein Kleinglücksfall. Wir hatten vorher, inmitten der vertreibenden Innenstadt, einen Balkon, Innenhofseite, zweiter Stock. Gut, Sonne war nicht viel, vor allem, nachdem saniert und aufgedacht wurde, aber man war ja dankbar für einen Austritt gen Süden. Von oben winkten freundlich die neuen Eigentümer, mit Südaussicht und bodentiefen Fenstern.

Jetzt aber! Wir haben einen prallen Westbalkon und den – kleinen – Garten hinterm Haus. Nach der morgendlichen Schau, du und dein Garten, wird vor dem Arbeitsweg noch die Schneckenquote gecheckt, also eigentlich die Nacktschneckenquote. Ist diese tolerabel, geht’s auch zügig zur Arbeit in die Stadt. Falls nicht; Mantel des Schweigens.

Ansonsten gibt’s neben den Schnecken auch Mücken. Das war aus Sicht der Innenstadt nicht abzusehen und ärgert besonders die Damen des Hauses. Andererseits, die Flugkünste von Schwalben und Fledermäusen sind so überwältigend, dass auch deren biologische Grundlage wohl nicht zu beanstanden ist.

Unsere Nachbarn sind freilich nicht so sehr von unserem Gartenmanagement überzeugt. Rasenpflege, die auf einen gewissen Wildnischarakter setzt und um sich greifende biologische Megasysteme von Kürbis-, Gurken- und Zucchinipflanzen geben zwar ein üppiges Augenwohl, wenn man aus dem Fenster lugt. Fürs Nachbarauge hingegen, das es eher mit dem Lineal und der Heckenschere hält, lugt da etwas viel Anarchie hervor. Sei es drum, wir begraben diesen kleinen Zwist regelmäßig beim Bier, so viel wie halt nötig ist.

Die tollste Tochter der Welt buddelt inzwischen in dem rudimentären Sandhaufen, spielt Indianerspiele, schätzt aber auch das hinterm ostwärtigen Gartenzaun liegende gewaltige Schwimmbecken der Nachbarn, so dass ein lebensweltlicher Vergleich zwischen Akkuratesse und irgendwie Wildnis prima erprobt werden kann.

Unser kleiner Garten also beschert uns alles was wir brauchen. Hin und wieder eine Gurke und ein paar eigenwillige Kräuterlein, Besuch von Hummeln und irgendwelchen Käfern, Libellen und sonstigem Kleingetier.  Wir sitzen auf unserer kleinen Bank, grubbern und schnippeln ein wenig rum, schauen zu und versuchen den Dingen, nein den Pflanzen, ihren Lauf zu lassen, nur gelegentlich etwas zu ernten, nach dem vielen, was man seit dem letzten Winter hineingegeben hat. Jetzt freut man sich also, wenn man etwas zurück bekommt, wobei das eine eigenartige Formulierung ist, wenn der Garten einem etwas zurück geben soll. Es wird Sommer, wir erwarten die erste Ernte von Himbeeren, Brombeeren, Stachelbeeren, von Kräutern und Blumen.

Ich gucke mittlerweile nicht mehr jeden Morgen durchs Fernglas. Ein Blick aus dem Fenster tut es auch, er zeigt mir einen kleinen grünen Flecken, bestückt mit mittelprächtigem Rasen, ein paar kleinen Sträuchern, üppigem Kürbis- und Gurkenwuchs. Einem verkrüppelten Kleinapfel und einem in die Jahre gekommen Häuschen ohne jeden Komfort.

Aber, es ist nun unser kleiner Garten; er grünt, und hier und da blüht er auch. Er ist schon schön, er ist unter dem Himmelszelt wie ein Kirschkerngroßes Puzzleteil vom Paradies, für uns, jedenfalls.

7. April 2024